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Thema: "Eine kurze Geschichte des Liberalismus"
Am Liberalen Gesprächskreis vom 14. November 2012 an der Universität Zürich hat Prof. Christoph Frei,
Titularprofessor für Politikwissenschaften mit besonderer
Berücksichtigung der internationalen Beziehungen an der Universität St.
Gallen, ein Referat zur Geschichte des Liberalismus gehalten. Die
Resonanz auf diesen Gesprächskreis war durchwegs sehr positiv. Rund 35
Personen in einem durchmischten Publikum haben während fast drei Stunden
über die Grundlagen der liberalen Geistesgeschichte diskutiert.
Geschichte des Liberalimus
Thematisch befasste sich der Liberale Gesprächskreis mit der Geschichte
des Liberalismus. Ausgehend vom absolutistischen Barock, insbesondere
vom französichen Barock unter Ludwig XIV. ("der 1. Diener des Staates"
und im Weiteren sind alle Bürger ebenfalls Diener), und vom
Wirtschaftssystem des Merkantilismus berichtete Prof. Frei von
unzähligen Beispielen staatlicher Interventionen und Eingriffe ins
Privatleben seiner Bürger, z.B. von Kleiderordnungen und von der
"öffentlichen" Gesundheit des Menschenkörpers, welche der
"Policey-Staat" in seinen tausenden Regularien erfasste. Über Denker wie
u.a. Hobbes, Kant, Locke, Pufendorf, Smith ("peace, easy taxes and
tolerable justice") und Mill rollte Frei die Geschichte des Liberalismus
auf. Der Liberalismus sei ein Kind der Aufklärung. Weiter gebe es nicht
den Liberalismus, sondern mehrere unterschiedlich geartete
"Liberalismen". Der schottische Liberalismus sei nicht vergleichbar mit
dem französischen, sofern es ihn denn gebe. Frei zeigte den Aufstieg des
Liberalismus auf, welcher die Verfassungen der Nationalstaaten im 19.
und 20. Jahrhundert geprägt hat. Erst dank der "rule of law", der
Gewaltenteilung, der Gewährleistung der Menschenrechte (insbesondere
Abschaffung der Sklaverei), dem Verhältnismässigkeitsprinzip und der
Machtbeteiligung durch das Volk sei die offene Gesellschaft ein
erreichbares Ziel geworden. Unter diesen Vorsätzen konnte sodann auch
der Wohlstand gedeihen, für alle Menschen, nur nicht für alle in der
gleichen Geschwindigkeit. Unter der Oberfläche brodelte es darum schon
länger: Tendenzen wie Anti-Rationalismus, Kriegsfreude, Eugenik,
Protektionismus und Sozialismus fanden verstärkt ihren Weg in die
Politik und in die Köpfe der Menschen zurück. Der Liberalismus sei, so
Frei, nach einer 100-jährigen Erfolgsgeschichte zu satt und
selbstgefällig gewesen, um auf diese Strömungen reagieren zu können.
Trotzdem konnte der Liberalismus gewisse Erfolge noch nach dem Zweiten
Weltkrieg feiern, so z.B. die Freihandelsabkommen des GATT. Heute habe
der Liberalismus keine Einheit und keinen Kern mehr, denn jeder - leider
- nenne sich heute "liberal", sogar die sozialdemokratischen Parteien.
Umso mehr lohnt es sich nach Meinung des Verfassers, sich auf die
Kernelemente des klassischen Liberalimus zurückzubesinnen.
Vor allem das Verhältnis zwischen Demokratie und Liberalismus warf unter
den Zuhörerinnen und Zuhörern einige Fragen auf. Auch die Demokratie,
so Frei, berge die Gefahr, dass eine Mehrheit ihre Meinungen eines
"gerechten" Staates der Minderheit aufzwinge. Gegen Zwang spreche sich
aber der Liberalismus klar ablehnend aus.
Bastiats "La Loi"
In einem zweiten Teil befasste sich das Publikum mit Claude Frédéric
Bastiats "La Loi", eine den klassichen Liberalismus verkörpernde
Streitschrift aus dem 19. Jahrhundert. Bastiat war Unternehmer, der
gegen den französischen Zentralstaat und seine Protektionismen kämpfte.
Als Autodiktat befasste er sich selbständig mit Werken zur
Staatsökonomie und -philosophie. Seine Vorbilder fand er im
Manchesterliberalismus unter Cobden und Bright und sein Staatsideal
entdeckte er im damaligen Amerika, wie es sich unter den jungen Kolonien
zu Beginn des 19. Jahrhunderts darstellte. Bastiats Menschenbild war
ein Geteiltes: Einerseits sah er die von Gott gegebenen Vorzüge des
Menschen, mit seinen Händen etwas zu erschaffen, andererseits erkannte
er auch die Gefahren eines zu mächtigen Sozialstaates, in dem die
Menschen auf Kosten der anderen (vor allem der Minderheiten) leben
würden. Die Gefahr geht im Wohlfahrtsstaat vor allem von denen aus, die
von "dummen Neid" erfüllt oder einer "falschen Menschenliebe" erlegen
sind. Denn, wer weiss schon, was dem einzelnen Bürger gut tut.
Besonders Bastiats Menschenbild führte in der anschliessenden zweiten
Gesprächsrunde zu vertieften Diskussionen und kritischen Meinungsvoten.
Vortrag Jasay
Für Interessierte bietet Prof. Frei die Möglichkeit an, an einem (nicht öffentlichen) Vortrag von Anthony de Jasay am 17. April 2013 (10:15 Uhr) an der Universität St. Gallen teilzunehmen. Interessierte können sich bei mir melden.
Verfasser: Fabio Andreotti