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Thema: "Die Rolle der Medien in der Demokratie"
Mit über 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war der Liberale Gesprächskreis vom 13. März 2013 mit Roger Köppel, Verleger und Chefredaktor der Weltwoche, "ausverkauft". Köppel hat zur immanent wichtigen Rolle der Medien in der Demokratie gesprochen. Der Referent erhielt im Jahr 2010 den Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik in Deutschland.
Meinungsvielfalt im Interesse des gesellschaftlichen Diskurses
Roger Köppel hat anhand mehrerer Beispiele aufgezeigt, dass die
Schweizer Medien (öfters) unisono die gleiche oder eine ähnliche Meinung
vertreten (z.B. bei den damaligen Diskussionen um das Waldsterben, um
die Gentechnologie, um EU bzw. EWR-Beitritt oder aktuell um den
Atomausstieg und Fukushima). Wichtig sei es für das Funktionieren der
demokratischen Gesellschaft, dass in den Diskussionen immer auch die
negativen Punkte eines Entscheides beleuchtet werden. So sei es ja z.B.
auch ein Alarmsignal, wenn Geschäftsleitungs- und
Verwaltungsratsmitglieder immer gleicher Meinung seien. Einschneidend
sei zudem, dass Persönlichkeiten, welche Entscheide kritisch
hinterfragen, sich ihrerseits Kritik und Häme aussetzen, vergleichbar
mit einem "Liebesentzug". Nicht anders verhalte es sich an den
schweizerischen Universitäten. Vergleichbar damit sei die Dauerkritik
von Journalisten an der Weltwoche, welche an den Pawlow'schen Reflex
erinnere.
Für Köppel liegt ein Problem in der Gesellschaft dann vor, wenn zwischen
Ist- und Soll-Zustand eine Differenz besteht. Die Aufgabe des
Journalisten sei es nun, den Soll-Zustand zu definieren und auf die
Differenz aufmerksam zu machen. Es handle sich dabei um einen "hoch
subjektiven" Massstab. Für den Referenten stellt der Soll-Zustand das
wohlerwogene Eigeninteresse der Schweiz dar. Wie kann man nun aber die
Schweiz definieren?
"Sonderfall" Schweiz
Die Schweiz ist für Köppel ein von Natur aus armes Land, ohne
Bodenschätze und Meeranschluss, welches vom Fleiss seiner Bürger
bestimmt ist. Demnach präge die Armut die Leute in der Weise, dass
Eigenverantwortung eine wichtige Rolle spielt. Gleichzeitig sei es für
Menschen unter diesen Umständen aber auch wichtig, dass sich Arbeit und
Anstrengung auszahlen. Dies zeige sich in der Rechtsordnung im Schutz
des Eigentums, in der Rechtssicherheit, in der Gewaltenteilung und in
der Kontrolle der Rechtsetzung in der Form der direkten Demokratie. Eine
Folge davon sei auch das relativ schlanke Schweizer Staatswesen. Roger
Köppel griff schliesslich auf eine Aussage von Karl Popper zurück, nach
der es gerade eine Stärke sei, wenn eine Gesellschaft von Armut und
Kargheit geprägt ist. Damit sei der Erfolg der Schweiz vorwiegend auf
die spezielle ökonomische und geografische Lage zurückzuführen.
Einen Unterschied im Verständnis der Demokratie hat der Referent an
einem schönen Beispiel aus einem Treffen mit Angela Merkel dargestellt.
Nach Meinung der deutschen Bundeskanzlerin basiere Demokratie auf dem
Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung. Für Köppel ist Demokratie
jedoch gerade die Staatsform des institutionalisierten Missstrauens der
Bürger gegenüber dem Staat.
Weiter sei es für die Schweiz - mit Verweis auf eine Aussage des Botschafters Paul Widmer - sogar immanent, dass sie freiheitlich bleibt, denn sonst höre sie auf zu "existieren".
Auftrag der Weltwoche: zwischen Grübel und Hildebrand
Die Weltwoche übernehme nach Meinung Köppels eine Aufklärungsleistung,
damit die Medienvielfalt in der Schweiz gewährleistet bleibt. Der
Referent will nach eigenen Aussagen kein Anarcholiberaler oder
Anti-Etatist sein, der (wachsende) Staat stehe aber notwendigerweise im
Zentrum seiner Kritik. Er könne auch vermehrt Unternehmen und die
Privatwirtschaft in den Fokus seiner Wochenzeitung nehmen, jedoch seien
diese dank des Wettbewerbs bereits einer Kontrolle ausgesetzt.
Weiter hat der Referent zwei aufsehenerregende Fälle der Weltwoche der
vergangenen Jahre verglichen: die Entscheide, weshalb er einen Artikel
über den ehemaligen SNB-Präsidenten Philipp Hildebrand und weshalb er
keinen Artikel über den Führungswechsel bei der kriselnden UBS
veröffentlicht hat. Im Fall der UBS und der ihm damals bekannten
(geheimen) Protokolle des Verwaltungsrates bestand für die
Veröffentlichung kein öffentliches Interesse. Die Bank sei zwar im
Blickpunkt der Öffentlichkeit gestanden, nur seien Änderungen im
Management gerade zweckmässig gewesen und in jedem Fall früher oder
später den Medien mitgeteilt worden. Aber in der causa Hildebrand
bestand ein öffentliches Interesse an der Publikation der geheimen
Bankdokumente, denn eine SNB-Führungsperson könne nicht am Wettbewerb
teilnehmen, den sie selber veranstalte (Wechselkursfixierung).
Geschlossen hat Roger Köppel mit folgendem Zitat Milton Friedmans: "If you put the federal government in charge of the Sahara Desert, in five years there'd be a shortage of sand."
In der Diskussion
Die Zuhörerinnen und Zuhörer wollten von Roger Köppel vor allem wissen,
wie die Weltwoche mit politischem Druck und wirtschaftlicher
Abhängigkeit umgeht. Kritisiert wurde von einem Teilnehmer mit Blick auf
das Titelbild eines Roma Kindes mit Pistole die Art und Weise, wie die
Weltwoche teilweise Storys illustriert. Für Roger Köppel war dieses Bild
von rein symbolischer Bedeutung, ein Bild, das nach seiner Meinung die
Geschichte am besten darstellte. Jedoch verstehe er Personen, die das
Bild als zu polemisch empfunden haben. Doch fände er es schon lustig,
dass sich die Angriffe der Politiker und Journalisten bloss auf das Bild
konzentrierten. Die Hintergrundgeschichte und das Leid der Beteiligten
sei dabei (leider) selten ein Thema gewesen. Ein weiterer
Diskussionspunkt war (natürlich) die Millionen-Entschädigung für Daniel
Vasella: In der Ablehnung gegenüber der Höhe erkannte der Referent
vielmehr einen moralischen Vorbehalt der Bürger als einen Schritt in
Richtung mehr Sozialismus. Dasselbe gelte auch für die
Minder-Initiative, welche im Ergebnis keinen Einfluss auf die Boni-Höhe
haben wird - im Gegenteil. Die Boni werden nach Meinung des Referenten
nach einem vorübergehenden Rückgang schnell wieder ansteigen und sogar
an Höhe gewinnen, dannzumals aber mit dem Segen der Aktionäre.
Schliesslich sei es für die Publikation einer gesellschaftlich
relevanten Story wichtig, dass das Motiv dafür stimme. Bloss
kompromittierende Darstellungen ohne Wert für die Meinungsvielfalt seien
demnach nicht zu veröffentlichen.
Verfasser: Fabio Andreotti